Neuigkeiten aus Georgien
Jetzt ist die ehemalige Corvinianerin Elisabeth Urban schon vier Monate in Georgien und mittlerweile hat sich der Alltag eingestellt. Sie berichtet von ihrem vielfältigen Engagement, spontanen Hochzeitsbesuchen und Trösten auf Georgisch…
Tagesablauf
Ein normaler Arbeitstag sieht bei mir wie folgt aus: Morgens zwischen 8.45 und 9 Uhr kann mich endlich dazu durchringen aufzustehen. Unser Boiler ist schon seit meiner Ankunft kaputt (deshalb dusche ich im Moment auch mit Wasser, das wir auf dem Herd warm gemacht haben), d.h. die Heizung funktioniert im Moment nicht und es ist ziemlich kalt geworden. ვაიმე ცივა (vaime ziva = oh weh / mein Gott, es ist kalt) - manchmal kondensiert sogar das Wasser in der Atemluft - da ist es noch schwieriger, sich morgens aus dem schönen, warmen Bett zu begeben… Aber man kann sich ja warm anziehen. ;-) Nach dem Frühstück gehe ich dann etwa zehn Minuten zu Fuß zu unserem Büro. In der Mittagspause bin ich meistens zum Mittagessen zu Hause. Mein Arbeitstag endet dann um 18 Uhr. Abends nach der Arbeit mache ich noch zwei Mal pro Woche Englisch-Unterricht mit meinen Gastgeschwistern und ein Mal pro Woche habe ich Georgisch-Unterricht. Nach dem Abendessen sitze ich noch mit meiner Familie zusammen, lese, schaue Filme, lerne Georgisch,… Ab Januar fange ich mit meinen Gastschwestern einen Georgisch-Tanzkurs an. Da bin ich dann auch nochmal zwei Abende pro Woche beschäftigt – Zeit für Langeweile oder Heimweh bleibt da keine! ;-)
Arbeitsfelder bei den "Jungen Pädagogen"
Meine Arbeit bei der Young Pedagogues‘ Union gefällt mir echt gut! Ich mache wie schon gesagt, zwei Mal pro Woche Englisch-Unterricht für meine Gastgeschwister, was zum Teil nicht ganz leicht ist, da alle unterschiedlich gut Englisch können. Zwei können ein bisschen bzw. ein kleines bisschen Englisch und die anderen kennen entweder nur ein paar Worte oder sprechen gar kein Englisch, aber ich versuche, dass alle etwas mitnehmen. Außerdem organisiere ich mit meinem amerikanischen Mitfreiwilligen Colton drei Mal pro Woche Englisch-Unterricht für drei kleine Kinder im Alter von 5-7 Jahren. Die drei sind echt niedlich und es ist jedes Mal schön, wenn sie ein neues Wort gelernt haben! In einer Stunde haben wir den Kleinen Familienmitglieder beigebracht. Als dann eines der Mädchen (ohne, dass wir es ihnen vorher erklärt haben) fragte, ob das „grand“ in grandmother bzw. grandfather dafür steht, dass es die Großmutter bzw. der Großvater ist, waren wir echt beeindruckt. ჭკვიანი გოგოა! (tschkviani gogoa = sie ist ein kluges Mädchen) J Abgesehen von diesen regelmäßigen Aufgaben helfe ich bei allem, was gerade ansteht. Bei Bedarf lese ich z.B. englische Übersetzungen Korrektur oder ich helfe bei der Einrichtung des „multikulturellen Cafés“, das demnächst von der Young Pedagogues‘ Union eröffnet werden soll. In dem Café soll es auch eine kleine Bücherei geben. Dafür habe ich die englisch- und deutschsprachigen Bücher katalogisiert. Außerdem soll es immer mal wieder besondere Veranstaltungen zum Thema Kultur geben. Ich bin dabei für den deutschen Abend zuständig. Für das regionale Jugendparlament, das aus ca. 25 Schülern besteht, und für die Leadership School habe ich einen Vortrag über Angela Merkel zum Thema „Successful Women“ gehalten.In Zukunft soll ich noch weitere Vorträge und Trainings vorbereiten. Wenn es klappt, organisiere ich einen deutsch-georgischen Austausch. So bin ich eigentlich immer ganz gut beschäftigt. Und wenn es mal nicht so viel zu tun gibt, gibt es genügend interessante Berichte und Artikel zu aktuellen Nachrichten oder anderen interessanten Themen zu lesen – ich will ja informiert bleiben, was gerade so passiert in der Welt…
Den vorherigen Absatz habe ich schon vor einiger Zeit verfasst, habe es dann aber nicht geschafft, weiterzuschreiben, deshalb hier noch ein paar aktuelle Infos: Die beiden kleinen Mädchen, denen wir Englisch-Unterricht gegeben haben, können leider nicht mehr kommen, also haben wir jetzt nur noch einen kleinen Jungen beim Unterricht. Das Café ist mittlerweile eröffnet. Es ist richtig schön und gemütlich geworden. Bei der Eröffnungsveranstaltung hat mein amerikanischer Mitfreiwilliger einen Vortrag über die USA gehalten. Im Januar bin ich dann mit dem deutschen Abend an der Reihe. Ich arbeite jetzt zwei bis drei Mal pro Woche vormittags im Café. Mit meinen Georgisch-Kenntnissen ist manchmal ein bisschen Improvisation gefragt, aber es macht mir sehr viel Spaß und es freuen sich immer alle, sobald sie herausfinden, dass ich aus Deutschland komme und ein bisschen Georgisch spreche. J
Theater und Fußball
Vor ein paar Wochen war ich für einen Tag in Tbilisi, da ich die Kindertheatergruppe meiner Organisation zu einem Theaterfestival begleitet habe.
Vor Kurzem hat die Young Pedagogues‘ Union ein kleines Fußballspiel zwischen ausländischen Freiwilligen und Georgiern organisiert, bei dem ich auch mitgespielt habe. Das Motto des Spiels war die Gleichberechtigung von Mann und Frau, weshalb alle Spieler ein T-Shirt mit einem Logo zum Thema getragen haben. Es war sogar ein Foto von uns in der Zeitung. Und so ganz nebenbei erwähnt: Wir Freiwilligen haben gewonnen… J
Trösten auf Georgisch
Seit Anfang Oktober wohnt im Small Group Home noch ein weiteres Mädchen: Ich habe jetzt also sieben Gastgeschwister. Da ist immer was los! Ich verstehe mich mit den Kindern und meinen Gasteltern sehr gut! Es gibt immer was zu lachen und wir haben immer viel Spaß zusammen! Wir sind schon richtig gute Freunde (მეგობრები, megobrebi)! J Mit der georgischen Sprache klappt es auch immer besser, auch wenn ich noch viiiiiiiiiel lernen muss… Wenn es nicht gerade das schwierigste Thema ist, kann ich mir meistens irgendwie zusammenreimen, was mein Gegenüber gerade sagt. Manchmal wünsche ich mir dennoch, dass ich besser Georgisch sprechen kann – in einfachen Alltagssituation, wenn ich einfach nicht verstehe, was man mir gerade zu sagen versucht oder ich nicht weiß, wie ich das, was ich gerade sagen will, auf Georgisch ausdrücken kann, aber auch in schwierigeren Situation. Eines Tages habe ich z.B. eine meiner Gastschwestern weinend in ihrem Zimmer gefunden, weil sie Sehnsucht nach ihrer Mutter hatte. Es wäre ja schon auf Deutsch nicht ganz einfach gewesen, die richtigen Worte zu finden, aber auf Georgisch? Immerhin eine Umarmung konnte ich ihr geben – dafür braucht man keine Worte…
Erst die Arbeit und dann...
In meiner Freizeit unternehme ich etwas mit Freunden: Anfang Oktober habe ich die anderen fünf Freiwilligen von Brot für die Welt in Tbilisi besucht. Am Samstagabend waren wir zum Botschaftsempfang im Radisson Blu anlässlich des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit eingeladen – es war ein gelungener Abend mit guten Gesprächen, interessanten Menschen, gutem Essen und Bier, schicken Kleidern und allem, was zu einem Botschaftsempfang dazugehört. Hier in Georgien habe ich also zum ersten Mal den Tag der deutschen Einheit richtig gefeiert. Eine Freundin hat für eine Online-Zeitung einen interessanten Artikel über ein Interview mit der Pressesprecherin der deutschen Botschaft, den Botschaftsempfang und die deutsch-georgischen Beziehungen geschrieben (für Interessierte hier der Link: http://www.firstlife.de/25-jahre-deutschland-und-die-deutsch-georgische-freundschaft/).
Georgisch feiern
Ich war auch schon auf einigen georgischen Supras (Festessen zum Beispiel anlässlich eines Geburtstages in einem Restaurant oder auch zu Hause). Die Gäste sitzen an einer langen Tafel, die so voll mit Essen beladen ist, dass man kaum noch Platz hat. Es gibt einen Leiter der Supra, den sogenannten Tamada, der die Trinksprüche ansagt. Es wird die ganze Zeit über Musik gespielt und wenn man sich dann genug den Bauch mit leckerem Essen vollgestopft hat, kann man beim anschließenden Tanzen wieder ein paar Kalorien verbrennen. Meine erste georgische Hochzeit (von einer Verwandten einer Kollegin), auf der ich eingeladen war, war ebenfalls eine echte Erfahrung. Um 16 Uhr habe ich erfahren, dass ich am selben Tag um 19 Uhr zu einer Hochzeit eingeladen bin – ich mag die Spontanität in Georgien. In einem großen Saal saßen alle Gäste (bestimmt um die 300 Leute) an langen Tafeln und die Tische waren noch voller mit Essen beladen als auf einer „normalen“ Supra. Nach dem Essen wurde dann getanzt.
Halloween und Thanksgiving
Ende Oktober bin ich für ein Wochenende nach Kutaisi (etwa 2 Stunden Fahrt mit der Mashrutka (Kleinbus)) gefahren. Dort habe ich meine georgische Freundin Nona getroffen, die für ein Jahr als Au-pair in Deutschland bei Bekannten gewohnt hat, getroffen und sie hat mir die Stadt gezeigt. Abends habe ich dann mit einigen amerikanischen Freiwilligen Halloween gefeiert.
Ende November war ich mit meinen amerikanischen Freunden in Kobuleti am Schwarzen Meer. In einem Gästehaus direkt am Strand haben sich etwa 25 Peace Corps-Freiwillige zum Thanksgiving-Feiern (mit ganz viel leckerem Essen) getroffen – lustigerweise am selben Wochenende wie mein Geburtstag. Obwohl es eigentlich schon recht kalt war (ich hatte schon meine Winterjacke ausgepackt), hatten wir noch einmal richtig Glück mit dem Wetter. Nachmittags konnten wir im T-Shirt am Strand sitzen und abends haben wir ein Lagerfeuer am Strand gemacht. Da muss ich doch erst nach Georgien fahren, um mein erstes amerikanisches Thanksgiving zu feiern… ;-)
Am Wochenende oder abends treffe ich mich immer mal wieder mit anderen Freiwilligen: mit amerikanischen Peace Corps-Freiwilligen und EVS-Freiwilligen (European Voluntary Service), von denen hier in Ozurgeti einige aus Polen, Großbritannien und den Niederlanden sind. Die anderen Brötchen (Freiwillige von Brot für die Welt) wohnen alle weiter weg (in Tbilisi (6 Stunden Fahrt) und Telavi (8 Stunden Fahrt)), sodass wir uns leider nicht so häufig sehen.
Schneckenpost
Trotz einiger Zweifel hatte ich vor Kurzem die Erkenntnis, dass die georgische Post tatsächlich funktioniert: Ich habe schon zwei Mal Post bekommen – die Postkarte meiner Eltern hat geschlagene zweieinhalb Monate von Höckelheim bis Ozurgeti gebraucht und der Brief von Oma war mit zwei Monaten ein bisschen schneller… ;-)
In Deutschland sind die Weihnachtsvorbereitungen wahrscheinlich schon in vollem Gange – davon bekomme ich hier gar nicht so viel mit, da das orthodoxe Weihnachten erst am 7. Januar gefeiert wird. Also habe ich mir einen Adventskalender mit Weihnachtsgeschichten und -liedern selber gemacht und auch schon Weihnachtsplätzchen gebacken und über Weihnachten fahre ich mit den anderen Brötchen in die Berge, um Weihnachten zu feiern. Im Café hören wir manchmal Weihnachtsmusik und in einigen Geschäften gibt es Weihnachtsdeko. So kommt dann doch ein bisschen Weihnachtsstimmung auf. In diesem Sinne euch allen eine schöne restliche Adventszeit, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2016!
Elisabeth Urban 13.12.2015