DS zeigt Achtsamkeit

9. Juni 2022. "Vorher ist es schlimm, aber nach der Aufführung weißt du, wofür du die Arbeit und den Stress auf dich genommen hast." Kursleiter Marcel Schulz selbst wird an dieser Stelle zitiert und er trifft damit auch den Nerv seiner Spieler:innenriege. Ihnen war nach der Aufführung anzumerken, wie wirksam sie sich im Spiel erlebt haben. Ausgelassen mischten sie sich unters Publikum und bekamen positives Feedback zu ihrem Spiel.

Zu recht, denn dem Kurs ist eine hochgradig homogene Aufführung geglückt. Aus kleinen Ideen entwickelten sie ansprechende Choreographien. Im Fach Darstellendes Spiel wird ja schon lange nichts mehr dargestellt (Kerncurriculum Darstellendes Spiel 2017, S.5), die Darsteller:innen heißen dementsprechend Spieler:innen, und zwar, weil sie sich zwischen Tanz, Performance, Erzähltheater und so weiter frei bewegen.

 

Keine einfachen Antworten

Genau das wurde am Mittwochabend dem zunehmend beeindruckten Publikum geboten, überwiegend Mitschüler:innen des eigenen Jahrgangs, etliche treten am kommenden Montag, 13. Juni 2022 selbst in "Minus-Mensch" an. Musik, Tanz, Choreographie - ein wunderbares Vexierspiel für die Sinne, da gab es anschließend genug Gespräche über die Seherfahrungen der gut 100 Zuschauer:innen und die Spielerfahrungen der 21 Spieler:innen.

Eine wahre Freude war es, zu erleben, wie offen die Szenen gehalten wurden. Da gab es keine einzige billige Antwort auf ohnehin nicht zu lösende, allenfalls zu bewältigende Probleme des Ausgeschlossenwerdens, der Demütigung und Diskriminierung. Katharina und Ali erleben geradezu eine erdrückende Wand der Ausgrenzung, Hannahs helfende Hand ballt sich im letzten Moment zur zynischen Faust. Entsprechend sachlich nüchtern die Ausführungen von Moderatorinnen-Lia zu Mobbing.

 

Leistung des Ensembles und Einzelner

Dass die fünf Unachtsamkeitsepisoden so ansprechend waren, ist zum einen nichts weniger als eine echte Kursleistung des Ensembles der 21. Wenn alles so ineinandergreift und eine derart kohärente Gestaltung auf Bühne, Rampe und in die Zuschauergänge gebracht wird, dann hat definitiv eine Menge theaterästhetische Kommunikation stattgefunden.  

Es ist aber auch dem Mut der Spieler:innen zu verdanken. Hier können nur einige Leistungen genannt werden, die stellvertretend für andere stehen: Da ist eine Julia, die als Türsteherin mit einem Blick Angst einflößt, eine Vanessa mit markantem "Mich"-Mantra, ein Berkan, der auf dem Weg zum Grab seiner Frau buchstäblich in sich zusammenfällt, ein Tim, der mit beeindruckender Körperspannung und Dynamik das schlafende Opfer umkreist, ein Ali, der die Gestaltung seiner Rolle - Coming-Out, Erfüllung - Ausgestoßensein - ohne Rücksicht auf Konventionen ausspielt. Eine Justina, die den Geschmack des Fesselns in Ruhe auskostet, eine Lia, die mit zitternden und zugleich anmutigen Bewegungen die Sehnsucht der Ausgeschlossenen nach Beachtung ausspielt.

 

Was noch geht

Einen guten Anteil am Gelingen hat Farbenzauberer Frederik, längst erster Lichtmeister des Corvi-Theaters, aus dem Parallelkurs wie selbstverständlich dabei - unterstützt von Kursteilnehmer:innen. Er entwickelt ständig neue Wege, mit Licht Szenen zu inszenieren.

Auf dem Weg zur Q2-Aufführung im nächsten Jahr ist dem Kurs daher nur Weniges mitzugeben: Weniger Schreien, weniger Tempo, weniger Umbauten.  

So gelingt insgesamt eine komplexe szenische Aufführungssituation von großem Reiz.

Text, Fotos: Wolff

 

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