Xenobots, Karl Marx und Plastikmüll
Im Schulnetz tummelt sie sich mittlerweile, die Corona-gebeutelte Schulgemeinschaft. Es ist erfreulich, dass in Coronazeiten zunehmend auch Veranstaltungen der Schulkultur in den BBB-Räumen des frischumgezogenen, agil agierenden Moodles stattfinden. Am Mittwoch, 13.1.2021 waren dies vor allem Schüler des verpflichteten Jahrgangs Q1, der - quasi zum Kennenlernen der Herausforderungen des nächsten Jahres - einen bunten Reigen an professionellen Vorträgen geboten bekam. Grundsätzlich fiel auf, dass die häufiger als in den letzten Jahren auch von Teams erstellten Facharbeiten sachbezogen und besonnen vorgetragen wurden. Die Abiturient*innen zeigten sich gut informiert in ihren Themen. Nachfragen wurden souverän beantwortet, die Thematik dabei sogar noch zum Teil vertieft.
Die nachmittägliche Veranstaltung bot in drei Takten 12 Vorträge von 17 Schüler:innen aus 5 Seminarfächern. Die Zuhörer:innen mussten sich also für drei Vorträge entscheiden, keine leichte Wahl angesichts der durchgehend sehr ansprechenden Themen (siehe Übersicht).
Im ersten Takt traten zum Beispiel Nick Hartmann aus dem Seminarfach von Vanessa Baethe-Curdt gegen das Trio Marie Wilp, Leonie Möhle und Martin Cao an. Die düster gehaltene Präsentation von Nick faszinierte ebenso wie die bunte Darbietung der Elev*innen aus dem Plamann-Seminarfach. Während Nick zügig in seine Präsentation startete und Audioausfälle seiner Visualisierung durch spontan formulierte off-Texte kompensierte, kämpfte das Trio im digitalen Nachbarraum noch mit der Technik. Aber bereits nach kurzer Zeit beeindruckten die drei mit einer selbstkomponierten Hymne auf gelebte Nachhaltigkeit. Diese ist zugleich ein vielversprechender Beitrag zum Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik. Anschließend wechselten Martin, Leonie und Marie sich laufend ab und stellten kurzweilig und sehr anschaulich Ziele und vor allem viele hoffnungsvolle Beispiele für gelungene städtische Entwicklungen in Deutschland vor. Nicks Vortrag faszinierte durch seinen ungewöhnlichen Vergleich. Wer hätte gedacht, dass sich Suzanne Collins‘ erfolgreiche Buchreihe „Die Tribute von Panem“ als eine grandiose Veranschaulichung von Marx‘ und Engels‘ kommunistischem Manifest entpuppen könnte? Hier hat Nick eine hellsichtige Analyse vorgelegt.
Ebenfalls im ersten Takt stellten Sophia Rott und Lena Volkmann die hochbrisante Problematik rund um Plastikmüll vor: "Wieviel Plastik gibt es auf der Welt?" Mit dieser und ähnlichen Schätzfragen bezogen die Referentinnen gleich zu Beginn ihr Publikum mit ein. Ein mit 100kg Plastik im Magen gestrandeter Wal hatte das Interesse der beiden geweckt. "Wie kommt so viel Plastik ins Meer und kann man nichts dagegen tun?", fragten sie sich. In ihrer zweigeteilten Präsentation stellten sie zuerst die Entstehung des Plastikmülls und die schockierenden Folgen für die Meerestiere, aber auch den Menschen dar. Im zweiten Teil wurden Lösungswege aufgezeigt: Einerseits auf poltischer Ebene durch Gesetze z.B. gegen Plastiktüten, andererseits aber auch Bespiele, wie jede*r mit kleinen Schritten den Plastikmüll reduzieren kann. Empfohlen wurde z.B. die App Code-Check, mit der man bereits während des Einkaufs Produkte wie Shampoo auf Mikroplastik überprüfen kann. Die provozierende Frage am Schluss: "Wie könntest du deinen Alltag strukturieren, um Plastikmüll zu vermeiden?", wurde von den Zuhörer:innen nur zurückhaltend beantwortet.
Eine mögliche Antwort auf die Plastikmüll-Problematik bot Nike Schröder anschließend in ihrem Vortrag zu sogenannten Xenobots. Sie hatte ein Thema gewählt, das an Aktualität kaum überboten werden kann, nämlich organische Mikroroboter, mit denen Medikamente im Körper gezielt transportiert, aber auch Krebs bekämpft werden oder eben auch Mikroplastik gefiltert werden könnte. Die Entwicklung ist brandneu, Aufsätze dazu gibt es erst seit 2020. Nike ließ es sich bei aller Faszination nicht nehmen, auch auf Gefahren, ethische Bedenken und rechtliche Grenzen des Verfahrens hinzuweisen. Unter anderem fragte sie, ob mit Sinnen versehene und zu Handlungen fähige Bots als Subjekte betrachtet und womöglich irgendwann Persönlichkeitsrechte bekommen müssten, wies aber auch auf die fragwürdige Finanzierung durch interessierte Militärkonzerne hin.
Ebenfalls im zweiten Takt präsentierte Max Hohmann überraschende Ergebnisse seiner Untersuchungen zur Verwendung von Einwegkunststoff im medizinischen Bereich. Aufgrund der Fehleranfälligkeit von Desinfektionsstrategien könne auf Einweginstrumente nicht verzichtet werden. Wenig überraschend dagegen, aber sehr positiv: der ökologische Fußabdruck lasse sich dabei noch minimieren durch konsequenteres Recycling und die Verwendung von nachhaltigen Kunststoffen.
Daniel Schütz präsentierte seine klare Darstellung des komplexen Steuerbetrugs nach der Cum-Ex-Strategie um doppelt ausgeschüttete Kapitalertragssteuer-Rückerstattungen im dritten Zeittakt. Die kriminell anmutenden Handgriffe von Privatinvestoren in einvernehmlicher Zusammenarbeit mit zahlreichen deutschen Banken um den Kauf und Verkauf von Aktien, die man noch gar nicht besitzt, unmittelbar vor und nach der Dividendenausschüttung ist ein aktueller Skandal, der etwa 12 Milliarden Euro Schaden an Steuergeldern anrichtete und ein bleibendes Problem aufzeigte, nämlich dass Personalmangel und fehlende Kenntnisse im Bundesfinanzministerium kapitalistisch selbst von gemeinnützigen Landesbanken betrügerisch ausgenutzt werden. Daniel bewegte sich dabei souverän in der komplexen Thematik und vermochte eine kriminalistische Spannung aufzubauen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die digitale Veranstaltung trotz des (vorläufigen?) Wegfalls der Plakatpräsentation und den damit verbundenen informellen Gesprächen vor den Plakaten eine gelungene und spannende Alternative in Coronazeiten ist. Den Referent:innen des nächsten Jahres ist zu wünschen, dass offensiver vom Publikum Rückmeldung gegeben wird.
Text: Wolff, W. Kuschke; Screenshots: Wolff