Das KZ vor der eigenen Tür

25. Januar 2023

Mitten in Moringen, nur 15 Busminuten von Northeim, gab es von 1933 bis 1945 ein Konzentrationslager. Der Eingang fügt sich nahtlos in die Häuserreihe an der Hauptstraße ein, Moringer Kinder, so berichtet unsere Betreuerin Jenny, spielten oft auf der Straße, die durch das KZ führte. Am 24. und 25. Januar 2023 besuchten die 10. Klassen die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Moringen.

Das Gebäude wurde bereits 1738 bis 1745 gebaut, war Waisenhaus, Korrektionsanstalt, Polizeigefängnis, Werkhaus und ab 1933 ein Konzentrationslager für Männer, überwiegend politische Gefangene. Zu Beginn hatten diese noch Hoffnungen in ihre Demokratie und demokratischen Rechte, versuchten sich mit einem Hungerstreik gegen die unmenschlichen Bedingungen zu wehren, dies scheiterte. Die Männer wurden in andere Lager verlegt und es wurde ein Frauenlager eingerichtet, das bis 1938 dort existierte. Von 1940 bis zur Befreiung durch die Amerikaner existierte in Moringen das einzige Konzentrationslager für Jugendliche (Jungen), in der Uckermark gab es eines für Mädchen. Hoffnung in die Demokratie hatten die Insassen zu diesem Zeitpunkt lang verloren.

In der Gedenkstätte lernten wir anhand von Einzelschicksalen, dass kaum jemand sicher vor den Nationalsozialisten war. Ein Junge ging zur HJ, gewann für seine HJ-Gruppe eine Skimeisterschaft. Misskommunikation sorgte dafür, dass er in Moringen landete. Als der bis dato ”überzeugte Nationalsozialist” mit dem Hitlergruß grüßte, schlug man ihm zwei Zähne aus. "Aus mir wurde ein Anti-Nazi gemacht, ich bin es nicht selbst geworden”, sagt er. Andere Insassen hatten sich Hitler-kritisch geäußert, viele wussten bis zu ihrem Tod nicht, warum sie festgenommen und nach Moringen gebracht wurden. Oft passten sie einfach nicht in die enge ideologische Vorstellung von ”Volksgemeinschaft”, die die Nationalsozialisten hatten.

Gegen Ende des Krieges wurden die ohnehin schlechten Umstände im Jungenlager immer schlechter. Kaum Essen, Gewalt, Willkür, entsetzliche hygienische Zustände - dennoch täglich schwere Zwangsarbeit im Raum Northeim. 45 Jungen überlebten das Lager nicht. Auf dem Friedhof in Moringen wird ihnen seit den 80er Jahren mit einem Gedenkstein gedacht, auf dem Gräberfeld daneben konnten sie zusammengeführt werden, weil ein Friedhofsgärtner ihre unmarkierten Gräber in seinen Unterlagen notiert hatte - gegen die Wünsche der Nationalsozialisten. Nachdem die SS ihnen nach Ankunft Nummern gab und sie nur damit ansprach, hat man ihnen im Tod ihre Namen zurück gegeben, sie stehen auf den Grabsteinen. Aber auch die Jungen, die das Lager überlebten, kämpften bis zu ihrem Tod mit den Spätfolgen. Ein ehemaliger Gefangener konnte nur schlafen, wenn er sich ein Stück Brot auf den Nachttisch legte. Die Hungerqualen die er in Moringen erlebt hatte, verfolgten ihn bis ins hohe Alter in Alpträumen.
Nach dem Krieg wurden die Baracken abgerissen, das seit 1738 existierende Gebäude wurde zum Displaced Persons Camp. Heute ist es Teil des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen.

Vom Konzentrationslager sieht man so heute nur noch wenig, es ist dennoch eindrücklich, wie zentral es in Moringen lag und wie viele Zwangsarbeiter in der Region gearbeitet haben. Die Insassen wurden den Moringern gegenüber als Kriminelle dargestellt, es sei niemand dort gestorben. Die Aufarbeitung war langwierig und dauert bis heute an.
Wenn wir an Konzentrations- und Vernichtungslager denken, dann denken wir oft in die Ferne: Auschwitz, Bergen-Belsen. Es muss uns aber dennoch bewusst sein, dass diese Lager nicht nur vor der Bevölkerung versteckt und weit im Osten existierten. Am 27. Januar jährt sich erneut die Befreiung von Auschwitz. Heute ist dieser Tag der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, ein bundesweiter Feiertag. Wir gedenken am Freitag auch den Opfern in der Region Northeim.

Text, Foto: Meier

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