14430 Schulstunden
3. Juli 2023. Die Abirede 2023 von Andrea Kögel und Jörg Uphaus
Liebe Abiturientnnen und Abiturienten,
liebe Eltern, Großeltern, Geschwister und Verwandte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,
wir haben uns wirklich gefreut, dass wir eure Abirede halten dürfen/sollen/ müssen (nein Spaß, das wäre ja ehrenlos)und haben uns genauso enthusiastsch auf diese Rede vorbereitet, wie ihr euch auf die ein oder andere Klausur -gestern Abend um halb zwölf. --- Natürlich nicht. Ihr kennt uns ja.
Wir sind heute hier, um anerkennend wertzuschätzen, was ihr Großartiges geleistet habt. Ihr habt 13 Schuljahre absolviert (manche vielleicht sogar 14). Ihr habt 2405 Schultage seit eurer Einschulung bis zum 12.04.23 und insgesamt ca. 14430 Schulstunden hinter euch gebracht, ca. 240 Klassenarbeiten und Klausuren geschrieben, ganze Wälder an Papier verbraucht, mit Sicherheit 30-40 unterschiedliche Lehrkräfte (und Lehrkräftinnen) kennen/ hassen und lieben gelernt.
Ihr habt aber genauso ca. 96200 Minuten mit euren Freunden in den Pausen verbracht, ca. 830 Tage Ferien unbeschwert genossen, gefühlt jeweils 600 Dosen Pringles oder Brezeln am Kiosk gekauft und wahrscheinlich 176 km zu Fuß von der Schule zu Schnabel und zurück als individuelles Fitnessprogramm absolviert. Warum sonst solltet ihr auch jeden Tag in Jogginghose zur Schule kommen?
Eure Schulzeit zeichnete sich aber leider auch durch unzählige Videokonferenzen, 1465 vollgeschniefte Masken, hektoliterweise Desinfesktionsmibel, „Happy Birthday“ singendes Händewaschen aus, aber nicht schlecht war doch die Einführung der täglichen Nutzung von Gehirnstimulatoren in niedersächsischen Schulen (hält ein Teststäbchen hoch).
Trotzdem – ihr habt es geschafft. Heute erhaltet ihr das, worauf ihr mit euren Eltern seit eurem Einschulungstag - dem 21.08.2010 - hingearbeitet habt, euer Abiturzeugnis aus den Händen eures Schulleiters. Dazu gratulieren wir euch und euren Eltern von ganzem Herzen.
So, jetzt aber. Was war nochmal das Abimobo dieses Jahr? Warte mal, wir haben doch Ali angeschrieben, weil wir es ständig vergessen haben (guckt aufs Handy)... scrollt Verlauf ... (sag mal, kommunizierst du mit deinen Schülern per Whats App?) ach hier: ABIos Amigos. bios, abios sag mal, das kommt doch bestimmt aus der Biologie. Da bist du doch der Fachmann. Du hast doch neben Sport und Erdkunde auch Biologie studiert. Ja, bio, bios, sicher, das ist griechisch, das heißt Leben, belebte Welt, als Teil des Kosmos. Na, und die Biologie ist ja die Wissenschaft des Lebens. Okay, aber was hat das mit den Abiturienten/ mit dem Abitur zu tun? Naja, wir können ja mal genauer gucken, was noch gemeint sein könnte. Wir nutzen mal ChatGPT. „Erkläre mir in einfachen Worten, was der Begriff bios bedeutet!“
Du der schlägt hier etwas ganz Anderes vor. Ich lese mal. „Der Begriff "Bios" steht für "Basic Input/Output System". Das BIOS ist dafür verantwortlich, dass das Gerät beim Starten korrekt funktioniert // naja, also damit könnte der Schulstart morgens um 7:45 Uhr gemeint sein// und Hardwarekomponenten kommunizieren kann // die Mitschüler...wir//. Es enthält auch grundlegende Einstellungen, die den Betrieb des Geräts beeinflussen können. //achso ja, die Partys; Getränkemarkt// Kurz gesagt, das BIOS ist eine Art "Grundlage" für die Hardware [...], die sicherstellt, dass alles reibungslos funktioniert. //Oder sind wir Lehrerinnen und Lehrer hier etwa das BIOS?
Na, wir gucken mal weiter. Und: Bios in der Naturphilosophie hier: da wird berichtet, dass Aristoteles davon spricht, dass im die Vergleich mit dem Leben anderer Individuen z.B. mit Pflanzen, ein Zustand des Schlafes vorherrsche. Ah okay. Das erinnert mich schon an die ein oder andere Mathe-Leistungs- kursstunde am Montagmorgen.
Stopp, Andrea. Wir haben einen Fehler gemacht. Im Abimobo steht doch ABIos. Du bist doch die Germanistin. Was ist denn mit dem Präfix „a“ gemeint. Naja, das drückt in diesem Kontext eine Verneinung aus. Abiotisch bedeutet ja in der Biologie unbelebt, leblos. (Sehen sich verdutzt an)
Also nun laufen wir hier in die falsche Richtung. Vielleicht war unser prompt nicht gut genug. Unbelebt, das passt nun wirklich nicht zu unseren Abiturientinnen und Abiturienten.
Erinnere dich doch beispielsweise mal an die Theatervorstellungen, die zahlreichen AGs, die ihr - liebe Abiturientinnen und Abiturienten -, mit Leben gefüllt habt, die tollen musikalischen Abende, die von euch gestalteten Mobotage und Corvi-Partys und last but not least, die Klassen- und Kursfahrten, von denen sicher Vieles in eurer Erinnerung geblieben ist. Nein, was war das schön, als wir mit der 9b und der 9d in die Alpen nach Garmisch-Partenkirchen gefahren sind und von 56 Schülerinnen und Schülern nur acht den Osterfelder Kopf erreicht haben. Und ich erinnere mich genau. Das waren: Ali, Corbinian, Leander, Seth, Matteo, Andy, Hanna und -- Joshua Wehr. Stimmt, ich wäre auch so gerne mit Joachim Rudolph und dir die 932m Höhenmeter zum Osterfelder Kopf gewandert, aber ich konnte ja leider nicht, weil ich die Unsportlichen zurück zur Hübe führen musste. *Lach*
Aber mal ehrlich, dieser Jahrgang war und ist schon besonders. Ja, das stimmt. Wenn ich da an meine Familie 11b denke. An unser Klassenabschlussfest oder das gemeinsame Grillen in meinem Garten im letzten Jahr nach dem Abiumzug. Ihr mit so viel Liebe für mich gestaltetes Freundebuch steht noch immer in meinem Wohnzimmer. (hält es hoch)
Liebe Eltern,
ich glaube, ich habe auf meinem Lehrerbuckel annähernd 50 mehrtägige Fahrten mit Schülerinnen und Schülern durchgeführt, von denen mir jede einzelne auch über die dienstliche Verpflichtung hinaus viel Spaß gemacht hat und speziell zu diesem Jahrgang, den wir hier heute feierlich entlassen, möchte ich kurz den Kommentar von zwei außenstehenden Lehrkräften wiedergeben, die sich voll des Lobes über diese Schülerinnen und Schülern hinsichtlich ihres Verhaltens, der Disziplin, Verlässlichkeit und Vernunft geäußert haben. Und wir wollen uns hier nicht mit fremden Federn schmücken. Das ist in erster Linie Ihr Verdienst und eine Aussage, die nicht nur Ihr Kind, sondern auch Sie als Eltern widerspiegelt.
Ihre Rolle bei der Erziehung und Entwicklung Ihres Kindes ist von unschätzbarem Wert. Sie haben Ihrem Kind so viele Werte wie Respekt, Fleiß, Disziplin, Durchhaltevermögen und Selbst- vertrauen vermibelt, die ihm/ihr geholfen haben, seine/ihre Ziele zu erreichen. Ihre Liebe und Fürsorge haben dazu beigetragen, dass Ihr Kind zu einem erfolgreichen Absolventen herangewachsen ist. Sie haben eine wich+ge Rolle bei der Gestaltung der ZukunV Ihres Kindes gespielt und wir sind sicher, dass Sie stolz auf die Person sind, die Ihr Kind geworden ist. -- Sie haben uns damit in unserer pädagogischen Arbeit extrem unterstützt, wofür wir uns von Herzen bei Ihnen bedanken. ---
Aber jetzt lass uns nochmal zurück zum Motto kommen. Da stand ja auch amigos – Freunde. Das Wort wird doch meist verwendet, um enge FreundschaVen oder eine Gruppe von Freunden zu beschreiben. Und das ist auch etwas, was diesen Jahrgang auszeichnet. Eine enge Verbundenheit, einen starken Zusammenhalt, Freundschaften, die seit der 5. Klasse oder darüber hinaus. Und wenn wir mal ehrlich sind, hat euch die Corona-Pandemie in diesem Punkt besonders hart getroffen. In einer Phase, in der die Abnabelung von den Eltern ihre stärkste Steigung annimmt, und Freunde den größten Platz im Leben einnehmen, kam die Kontaktsperre, der Lockdown. Das war für einige von euch ziemlich hart. Aber ihr habt es als Chance gesehen und das Beste daraus gemacht.
Jörg, wir sind ja nun auch schon länger befreundet - was macht denn wahre Freundschaft für dich aus?
Naja, ganz klar Vertrauen, Verlässlichkeit, Loyalität, Respekt, Kritikfähigkeit, Ehrlichkeit und natürlich Humor. Das ist jetzt sicher nicht vollständig, aber das würde mir spontan so einfallen.
Aber die Abiturientinnen und Abiturienten sagen ja eigentlich Adios Amigos. Adios zu uns als Lehrerinnen und Lehrern, aber auch zu ihren Mitschülern, denn jeder wird nun seinen eigenen Weg gehen und das Corvi als täglicher Freundestreff existiert für sie dann so nicht mehr. ---
In den letzten Jahren habt ihr, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, nicht nur Wissen und Fähigkeiten erworben, sondern, ihr habt gemeinsam gelacht, geweint, gestritten und euch versöhnt. Ihr habt zusammen gelernt und euch gegenseitig unterstützt und füreinander Verantwortung übernommen (Klingelton) Was piept denn da bei dir? Oh warte, ich muss mich kurz um mein Tamagotchi kümmern. Das habe ich von meinem Leistungskurs und habe versprochen, dass ich mich verantwortungsvoll darum kümmere. Okay, dann kümmere du dich mal um dein Tamagotchi und ich mache hier weiter.
Ihr habt Verständnis füreinander entwickelt, eure Freundschaften haben euch durch gute und schlechte Zeiten getragen und euch zu den Menschen gemacht, die ihr heute seid.
Doch nun beginnt ein neues Kapitel in eurem Leben. Ihr werdet euch auf den Weg machen, um eure Träume und Ziele zu verwirklichen. Einige von euch werden weiterhin zusammenbleiben, während andere neue Freundschaften knüpfen werden. Einige von euch werden erstmal auf Reisen gehen, während andere ein Studium oder eine Ausbildung in der Umgebung oder weit weg von zuhause beginnen werden. Doch was auch immer ihr tun werdet, ihr werdet euch an die Freundschaften aus eurer Schulzeit erinnern, weil sie euch gestärkt und geprägt haben.
Adios amigos sagt ihr aber auch zu uns als Lehrerinnen und Lehrern. Inwiefern waren oder besser sind wir „Freunde“ für euch? Oder welche Merkmale einer guten Freundschaft sind auch für eine Schüler-Lehrer-Beziehung enorm wichgti?
Sie basiert in jedem Fall auf gegenseitigem Respekt und sollte von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein. Ja stimmt. Das setzt aber auch Offenheit voraus. Die Lehrkraft sollte für die Anliegen und Fragen der Schüler - vielleicht auch nicht nur in unterrichtlichen Belangen - offen sein und auch die Schüler sollten das Gefühl haben, ihre Ideen und Anliegen einbringen zu können.
Eine gute Schüler-Lehrerbeziehung braucht aber auch (bestenfalls beiderseitiges) Empathievermögen. Der Lehrer sollte in der Lage sein, sich in die Perspektive des Schülers hineinzuversetzen und ihm bei Problemen und Herausforderungen unterstützend zur Seite stehen. Gegenseitiges Interesse spielt für mich allerdings auch eine wesentliche Rolle. Mir liegt zum Beispiel das Wohlbefinden und die Entwicklung der Schüler am Herzen, den Schüler als Mensch sehen, zu erkennen, was ihn belastet, welche Bedürfnisse er hat. Ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und das Fachliche vielleicht auch einmal hintenanzustellen.
Wir beide, und ich glaube, dass ich da auch für unsere KuK sprechen darf, haben das als Grundlage für unser pädagogisches Handeln gesehen und hoffen, dass ihr das heute mit dem Erhalt eures Reifezeugnisses auch so sehen könnt.
Was bleibt noch zu sagen?
Als Freunde möchten wir euren Rucksack für den weiteren Lebensweg mit den Erfahrungen füllen, von denen wir glauben, dass sie für euch von Bedeutung sind! Wir wünschen euch:
* ... den Mut, neue Wege zu gehen und euch auf Veränderungen einzulassen, auch wenn diese mit Unsicherheit und Herausforderungen verbunden sind.
*Wir wünschen euch Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, Kulturen und Perspek+ven, um euren Horizont zu erweitern und euch weiterzuentwickeln.
* Wir wünschen euch das Selbstvertrauen, das ihr braucht, um euch auf eure Stärken zu konzentrieren und Herausforderungen zu meistern.
* Wir wünschen euch, dass ihr Verantwortung übernehmt, sowohl für euch selbst als auch für die Gemeinschaft, in der ihr lebt.
*Wir wünschen euch Gesundheit, denn nur mit dieser könnt ihr eure Ziele erreichen und eure Träume verwirklichen.
* Wir wünschen euch, dass ihr eure Leidenschaften entdeckt und verfolgt und dass ihr immer mit Begeisterung bei der Sache seid.
* Wir wünschen euch (Sonne im Herzen und) Freude und Glück in eurem Leben, denn das ist es, was das Leben lebenswert macht.
Und was wünschen wir uns?
Wir freuen uns, euch eines Tages z.B. bei einem Abitreffen, zu Besuch im Lehrerzimmer oder zuhause im Garten wiederzusehen. Zu hören, wie es euch ergangen ist, was ihr rückblickend zu schätzen gelernt habt und vor allem, ob ihr glücklich seid.
Abschließend bleibt uns zu sagen (ziehen Sombreros hervor): Adios Amigos (gemeinsam, lüften Hüte).